Das „Opferfest“ (arab. „Id Al-Adha", türk. „Kurban Bayram") wird auch „Das Grosse Fest“ genannt, da es im Vergleich mit dem „Kleinen Fest“ des Fastenbrechens (Id Al-Fitram) am Ende des Ramadan als das bedeutendere gilt. Das Fest beginnt immer am 10. Tag des islamischen Wallfahrtsmonats, am Ende des Hadsch (Pilgerfahrt). Das Opferfest erinnert an die Bereitschaft Abrahams (arab. Ibrahim), seinen Sohn zu opfern und dauert vier Tage.
Das Opferfest „Id Al-Adha“
Am ersten Tag des Opferfestes versammeln sich die Gläubigen in den Moscheen, wo ein besonderes Festgebet abgehalten wird. Auch wird die Abschiedspredigt Mohammeds, die dieser während seiner letzten Wallfahrt hielt, feierlich verlesen. In der Regel schlachtet dann der Familienvater das Tier für seine ganze Familie. Geopfert wird meist ein männliches Schaf, möglich sind aber auch Ziegen, Kühe, Kamele. Die Tiere müssen fehlerfrei sein. Die Opferungshandlung wird nach einem festgesetzten Ritus vollzogen. Dabei wird das Opfertier mit dem Kopf in Richtung Mekka gelegt. Der Vater oder derjenige, der an seiner Stelle schlachtet, spricht verschiedene Gebetsformeln, zerschneidet dann die Halsschlagader des Tieres und lässt es ausbluten (Schächtung). Ein Drittel des Fleisches verzehrt der Vater mit seiner Familie, zwei Drittel werden verschenkt – meist an ärmere Leute in der Umgebung. Gemäss der „Sunna“ (der vorbildlichen Lebensweise des Propheten Mohammed) ist das Opfer verbindlich für jeden freien Muslim, der es sich leisten kann.
Ursprung des Festes
Beim Schächten wird die Formel gesprochen: „Im Namen Gottes. Gott ist gross. Herr Gott, in deinem Namen, durch dich und für dich. Nimm es von mir an, wie du es von deinem Freund Ibrahim (Abraham) angenommen hast." Das Opferfest ist das „Fest Abrahams“. Obwohl die Opfer auf vorislamische Bräuche während der Pilgerfahrt zurück gehen, verbindet die islamische Überlieferung sie mit Abraham, der im Tal Mina seinen Sohn auf Befehl Gottes zu opfern bereit gewesen sei. Gott habe dann Abrahams Sohn „mit einem grossen Schlachtopfer“ (Sure 37,106) ausgelöst. Der Engel Gabriel bringt als Ersatz für das Menschenopfer einen Hammel als Schlachttier.
Welcher der beiden Söhne Abrahams, Isaak oder Ismael, geopfert werden sollte, wird im Koran aber nicht namentlich erwähnt. Doch die meisten Muslime sind überzeugt, dass es Ismael gewesen ist, da er als Stammvater des Propheten Mohammed angesehen wird. Nach einer genauen Koranexegese ist aber auch eine Anzahl islamischer Gelehrter zu dem Schluss gekommen, dass es Isaak gewesen sein muss.
Welche Bedeutung verbinden Muslime mit dem Opfer?
Im Koran wird betont, dass sich Abraham und sein Sohn „ergeben gezeigt“ hätten (Sure 37,103). Die Opferbereitschaft Abrahams und auch das Opfer der Muslime soll also Ausdruck der unbedingten Hingabe, des bedingungslosen Gehorsams des Menschen gegenüber Gott sein. Der Gläubige, der das Opfer vollzieht, stellt damit sein ganzes Leben Gott zur Verfügung. „Wenn einer die Opfertiere Gott hochhält, ist es ein Ausdruck der Frömmigkeit des Herzens“ (Sure 22,32). Denken Muslime bei ihrem Opfer auch daran, Gott damit gnädig zu stimmen? Kann man gar davon sprechen, dass das Opfertier stellvertretend für die Sünde des Menschen sterben muss? Gegen den Gedanken einer Versöhnung durch das Opfer spricht Sure 22,37, wo es von den Opfertieren heisst: „Weder ihr Fleisch noch ihr Blut erreicht Gott, aber Ihn erreicht eure Frömmigkeit“. Im Opfer hofft der orthodoxe Muslim nicht etwa auf eine Stellvertretung für seine Sünden, sondern bringt Gott symbolhaft seine eigene Frömmigkeit dar. Der Gedanke, dass ein anderer stellvertretend für den Menschen die Strafe übernehmen und dadurch Versöhnung erwirken könne, wird im Koran und in der islamischen Überlieferung sehr hart abgelehnt (Sure 6,164).
Das Opferfest als Brücke zum Kreuz
Trotz der Einwände von Seiten der Muslime ist das Opfer einer jener Bestandteile im Islam, in dem das Licht der biblischen Wahrheit nicht völlig ausgelöscht wurde. Sure 37,107 spricht davon, dass der Sohn Abrahams mit einem Schlachtopfer „ausgelöst“ wurde. Ein Tier starb an seiner Statt. Im Volksislam ist das Tieropfer ein Mittel zur Reinigung von Schuld. Zum Beispiel ist in Pakistan und Indien der Brauch verbreitet, dass der Familienvater beim Opferfest die Sünden der Familie auf das Opfertier überträgt, bevor es geschlachtet wird.
Das Opferfest ist eine gute Gelegenheit, Muslime auf die Bedeutung der biblischen Opfer hinzuweisen: Die im Alten Testament von Gott seinem Volk gebotenen Opfer sind ein Hinweis darauf, dass zur Vergebung der Schuld und zur Erlösung von Sünde stellvertretend Leben gegeben werden muss. Ohne Blutvergiessen keine Vergebung (Hebräer 9,22). So schwerwiegend ist unsere Verlorenheit, dass die Darbringung unserer eigenen Frömmigkeit niemals zur Sühne ausreichen kann.
Es ist interessant, dass Abraham in der Bibel zu seinem Sohn sagt: „Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer“, siehe 1. Mose 22,1-19 (Tawrat). Gott gab stattdessen einen Widder mit Hörnern. Abraham redete prophetisch von demselben wie der Täufer Johannes. Als dieser nämlich Jesus an den Jordan kommen sah, sagte er: „Siehe, das Lamm Gottes, welches der Welt Sünden trägt“ (Johannes 1,29).
Alle alttestamentlichen Opfer und unbewusst auch die Opfer der Religionen inklusive des Islam weisen auf das eine grosse Opfer hin, durch das Gott selbst uns auslöst: Das Sterben des sündlosen Sohnes Gottes, Jesus Christus. Er ist Gottes Lamm, geopfert für die Sünden der ganzen Welt. Weil er ein für allemal (Hebräer 9,28) das für alle ausreichende Opfer gebracht hat, sind seitdem keine Tieropfer mehr nötig. Dies ist auch die Antwort, wenn uns Muslime fragen, weshalb wir als Nachfolger Jesu nicht Tieropfer darbringen.
Markus Frauchiger